Der Einsatz von Künstlicher Intelligenz ist in Unternehmen mit zweistelliger Wachstumsrate mehr als doppelt so hoch wie in langsam wachsenden (37,8 vs. 17,1 Prozent)
Das ist das Ergebnis einer internationalen Microsoft-Studie, die kürzlich im Rahmen einer Veranstaltung bei Microsoft Berlin vorgestellt wurde. In Deutschland ist der Unterschied mit 66,7 Prozent zu 16,7 Prozent noch deutlicher. Österreich Zahlen gibt zwar nicht, aber es wird wohl bei uns ziemlich ähnlich sein. Das hat nicht nur einfach etwas mit Technologie zu tun, sondern wirft vielmehr die Frage nach Digital Leadership auf.
Die Technologie ist nicht nur ein Wachstumstreiber, sondern verändert auch die Unternehmensführung in allen untersuchten Ländern, so die Studie. Neben Effizienzsteigerung wollen Entscheider KI auch für Führungsaufgaben nutzen – in schnell wachsenden Firmen mit zweistelliger Wachstumsrate stärker als in langsam wachsenden. Die Zeit, die sie durch den Einsatz von KI sparen, soll vorrangig in die Motivation und Inspiration ihrer Beschäftigten (28,5 Prozent), aber auch in die Identifizierung neuer Marktchancen (23,8 Prozent) und das Setzen der richtigen Ziele (22,3 Prozent) investiert werden.
Microsoft hat in der Studie untersuchen lassen, wofür Entscheider Künstliche Intelligenz im Unternehmen einsetzen wollen und wie sich die Technologie auf Führungsaufgaben auswirkt. Befragt wurden dabei 1.150 Führungskräfte aus 13 Ländern weltweit. Schnell wachsende Firmen sehen insgesamt eine höhere Dringlichkeit, die Technologie in verschiedenen Unternehmensbereichen zu nutzen: 75 Prozent der deutschen Entscheider in wachstumsstarken Organisationen wollen die Technologie innerhalb des nächsten Jahres zur besseren Entscheidungsfindung einsetzen. In wachstumsschwachen deutschen Unternehmen sind es nur 43,3 Prozent. Auch in der Entwicklung neuer Lösungen und Geschäftsmodelle wollen 42,9 Prozent der wachstumsstarken Unternehmen KI innerhalb des nächsten Jahres anwenden – dem stehen nur 16,7% Prozent in wachstumsschwachen gegenüber.
Künstliche Intelligenz verändert Führungsaufgaben – oder ist die KI gar der bessere Chef?
Auch die Aufgaben von Führungskräften verändern sich durch die Technologie: 58,3 Prozent der deutschen Entscheider aus stark wachsenden Firmen gehen davon aus, dass sie Probleme mit KI in Zukunft vollkommen anders lösen werden – in wachstumsschwachen sind es nur 41 Prozent. Ebenso werde sich die strategische Unternehmensausrichtung durch Künstliche Intelligenz grundlegend verändern, sagen zwei Drittel der schnell wachsenden (66,7 Prozent) und nur ein Drittel (37,2 Prozent) der langsam wachsenden Firmen in Deutschland.
„Erfolgreiche Führungskräfte haben die Wichtigkeit von KI erkannt und nutzen die Technologie für operative Aufgaben, aber auch, um bessere Führungskräfte zu werden – also Wachstum voranzutreiben, die richtigen Prioritäten zu setzen und Menschen zu inspirieren. Durch KI wird Führung noch menschlicher und hilft Entscheidern, sich auf das Wesentliche zu konzentrieren: die Beschäftigten„, erklärt dazu Heike Bruch, Professorin und Direktorin am Institut für Führung und Personalmanagement der Universität St. Gallen.
Ins selbe Horn stößt auch der österreichische Zukunftsforscher und Leadership Experte Franz Kühmayer wenn er als größte Herausforderung für Führungskräfte den Bereich der Emotionen nennt. „Ich glaube, dass wir die rationale Technik überhaupt nur dann meistern können, wenn wir unsere Stärken einbringen. Und diese ergeben sich aufgrund unserer Emotionen“, so Kühmayer. Er sieht darin auch eine Herausforderung für die Kultur eines Unternehmens und die Führungskräfte, die soziale und emotionale Systeme verstehen und am Laufen halten müssen, so der Experte im Interview mit „Die Wirtschaft“.
Veränderungen durch KI verlangen nach neuen Fähigkeiten. Die Zeiten, in denen Chefs hauptsächlich Anweisungen geben, sind vorbei.
Um sich auf die Veränderung der Führungsaufgaben durch KI vorzubereiten, wollen zwei Drittel aller befragten Entscheider (69 Prozent) ihre Fähigkeiten weiterentwickeln. . Hinterfragen und Reflexion werden zu den wichtigsten Führungskriterien für digital Leadership (Fraunhofer Cerri). In Deutschland planen 71,8 Prozent der Führungskräfte in langsam wachsenden Unternehmen, ihre Fähigkeiten auszubauen, aber nur jede zweite Führungskraft in wachstumsstarken Organisationen. Ein möglicher Grund dafür ist, dass viele schnell wachsende Firmen (66,7 Prozent) hierzulande KI bereits aktiv in die Unternehmensstrategie einbinden und über die notwendigen Fähigkeiten für den Umgang mit der Technologie verfügen. Die Ausgereiftheit und Verbreitung von KI ist damit in Deutschland deutlich höher als in allen anderen untersuchten Ländern – im Durchschnitt haben erst 37,8 Prozent der wachstumsstarken Organisationen die Technologie implementiert. Die Trends für Österreich werden ähnlich sein, allerdings fehlen uns hier die großen „Lokomotiven“ für KI Projekte, die mutig vorangehen.
KI verändert Führung. Das stellt Entscheider vor neue Herausforderungen: Für den erfolgreichen Umgang mit Künstlicher Intelligenz müssen sie sich neue Fähigkeiten aneignen und die Führungskultur weiterentwickeln. Führungskraft ist man heute nicht mehr, weil man alles weiß. Genauso wie sich Technologie ständig weiterentwickelt, kann im KI-Zeitalter auch der Lernprozess von Beschäftigten und Führungskräften niemals abgeschlossen sein.
In der an die Studienpräsentation angeschlossenen Podiumsdiskussion in der Digital Eatery von Microsoft Berlin wurde zum Thema weiter diskutiert. Hier noch einige schöne Zitate daraus:
1. Digital Leader müssen fragen (lernen)
Die Zeiten, in denen Chefs hauptsächlich Anweisungen geben, sind vorbei. „Hinterfragen und Reflexion sind die wichtigsten Führungskriterien für digital Leadership“, findet Katharina Hochfeld, Leiterin Unternehmenskultur und Transformation bei Fraunhofer Cerri. Dazu zählen Fragen wie: „Was wollen wir überhaupt in unserem Unternehmen? Chatbots? Intelligente Robotik? Was ist das? Was heißt das für unseren Bereich?“ Und diese Fragen müssen sie auch an die Mitarbeiter richten: „Was heißt das für euch? Wie müsst ihr euch weiterbilden?“
2. Eigenverantwortung und Haltung sind Grundvoraussetzung
Journalistin und Leadership-Expertin Inga Höltmann machte klar, dass digital Leadership für sie nichts mit der Position im Unternehmen zu tun hat. „Es ist die Haltung, die Einstellung, mit der ich auf die Arbeitswelt zugehe. Ständig zu hinterfragen: Was kann ich beitragen, wie kann ich kommunizieren, was ist meine Rolle?“ Und das betrifft jeden im Unternehmen.
Neugier und Eigenverantwortung sieht sie als wichtige Qualifikationen für Mitarbeiter – denn Führungskräfte können den Weg der Transformation auch nicht vorhersagen. Jeder muss sich selbst fragen: „Wie positioniere ich mich, wie verorte ich mich in einer immer digitaler werdenden Arbeitswelt? Das heißt auch: Ich kann nicht darauf warten, dass Dinge an mich herangetragen werden.“
3. Immer wieder Neues lernen
Für eine gelungene digitale Transformation kommt es nicht nur auf die Führungskräfte an, sondern auf alle Mitarbeiter. Für Markus Köhler bedeutet das: Auf ihre Bereitschaft, Dinge auszuprobieren, gemeinschaftlich miteinander zu lernen. Und vor allem: „Auf Freude am Lernen! Die Transformation ist eine lange Reise, nicht immer leicht, manchmal auch schmerzhaft. Aber je freiwilliger man das macht, desto besser wird es.“
Katharina Hochfeld sieht KI am Arbeitsplatz als ein Werkzeug. Dies müsse immer gemeinsam gedacht werden mit Werten und Kultur. „Technologische Transformation ist auch organisatorische Transformation.“ Dazu müsse man mit allen Mitarbeitern das passende Mindset erarbeiten – „sonst wird es nicht funktionieren.“
4. Auch der Staat braucht Digital Leader
„Für Arbeitgeber ist die Digitalisierung eine riesige Herausforderung – für den Staat auch!“, sagt Abgeordneter Mario Brandenburg. „Digital Leadership ist genau das, was uns fehlt. Wir brauchen Digital Leader, die davon überzeugt sind, dass Digitalisierung für alle Menschen Chancen bringt, und die das den Menschen erklären.“
Für die Arbeitsagentur zum Beispiel sei es viel schwieriger als für Arbeitgeber, Menschen dazu zu motivieren, sich digital weiterzubilden. Er vermisst eine bessere Finanzierung, Konzepte und vor allen Dingen „Elan, den Menschen zu erklären, warum das wichtig ist.“ Auch für Selbstständige fehlen ihm Angebote. „Stellen Sie sich einen Handwerker vor, kleine Firma, 11 Leute, Auftragsbücher voll, zwei kleine Kinder zuhause: Wie kann der sich weiterbilden?“
5. Ungehorsam gehört dazu!
In einem waren sich alle einig: Die Verantwortung dafür, ob und für was die Künstliche Intelligenz genutzt wird, liegt am Ende beim Menschen. Als Einzelne, als Teams, als Unternehmen und als Gesellschaft. Die Künstliche Intelligenz wird nur dann unsere Leadership übernehmen, wenn wir sie lassen und von unserer Verantwortung abrücken!
Ein vielversprechendes Schlusswort kam von Leadership Expertin Inga Höltmann:
Gehorsamkeit ist der größte Hemmfaktor für Innovationen. Wenn wir zu gehorsam sind, zu regelgeleitet, dann verhindern wir Innovation – seid mutig!
Studiendesign
Die Daten wurden im Rahmen einer zufälligen Online-Befragung unter 1.150 Entscheidern aus 13 Ländern erhoben: Frankreich, Großbritannien, Italien, den Niederlanden, Polen, der Schweiz, Russland, Südafrika, der Tschechischen Republik, Ungarn, den USA, den Vereinigten Arabischen Emiraten und Deutschland. Die Erhebung erfolgte vom 17. bis 28. Januar 2019. Als wachstumsstark wurden in der Untersuchung Unternehmen klassifiziert, die ihre jährliche Wachstumsrate als zweistellig eingestuft haben.