Exportschlager Regulierung

Millionen von EU Bürger fiebern bereits der kommenden Fußball Europa Meisterschaft entgegen. Jedes der qualifizierten Länder will dabei das beste Team in die Bewerbe schicken und am Ende Meister werden. Würde es da reichen, den Anspruch zu stellen, das beste Schiedsrichterteam auf das Feld zu stellen? Wohl kaum. Und doch genügt sich die europäische Politik darin, dies im Match um einen der bedeutendsten Technologiebereiche unserer Zeit zu tun.

Die Rede ist von Künstlicher Intelligenz, kurz KI. Ein Bereich, der im letzten Jahr durch den Durchbruch von sogenannter „Generativen KI“ enorm an Fahrt aufgenommen hat und das Potential hat, die digitale Transformation von ganzen Staaten auf die Überholspur zu bringen. Dieses Match ist ein globales Match, mit den zwei großen KI Playern Nordamerika und Asien – und Europa an der Seitenlinie, das den Großteil seiner Energie darin investiert, Weltmeister für die Regulierung von KI zu werden. 

KI Europmeisterschaft (powered by DALL-E 3)

Unbestritten wird die EU in den nächsten fünf Jahren daran arbeiten müssen, dass die Entwicklung und Anwendung von KI im Einklang mit den europäischen Werten und Normen erfolgt und dass die Bürgerinnen und Bürger von den Vorteilen der KI profitieren können, ohne dass ihre Privatsphäre und Sicherheit gefährdet werden. Und unbestritten bleibt auch, dass eine praktikable Regulierung dafür wesentlich ist, um am europäischen Markt ein „level playing field“ für alle Mitbewerber zu schaffen. Allerdings reicht das bei weitem nicht, um damit die Potentiale auch nur annähernd gut und schnell genug ausschöpfen zu können, die in dieser Technologie liegen.

Statt Weltmeister in der Regulierung von KI werden zu wollen, wäre es mE die bessere politische Zielsetzung, Weltmeister in der Anwendung von KI zu werden. Ähnlich wie es die Niederlande im 16. Jahrhundert machten, als sie in den 100 Jahren nach der Erfindung der Druckerpresse die dadurch ausgelöste Medienrevolution derart gut nutzten, dass sie zum Zentrum des internationalen Buchhandels wurden. Die im Vergleich zu anderen Staaten hohe Alphabetisierungsrate gab den Niederländern einen entscheidenden Wettbewerbsfaktor, den sie im weiteren historischen Verlauf auch gut nutzen konnten.

Frei nach Joseph A. Schumpeter ist Innovation vor allem das, was auch tatsächlich (in der Volkswirtschaft) ankommt. Das Maß unseres Handelns sollte daher nicht so stark davon bestimmt sein, in welches regulative Korsett wir disruptive Innovationen wie Generative KI pressen wollen, sondern vielmehr im spielerischen wie auch professionellen Ausloten der Möglichkeiten, die sich durch KI Anwendung in Bereichen wie Wirtschaft, Medizin, Verwaltung, Bildung u.v.m. bieten. Erst in der konkreten Anwendung und im Lernen entsteht auch das richtige Verständnis dafür, wo es möglicherweise noch an Leitplanken der Regulierung fehlt – die dann auch in Einklang mit dem europäischen Wertekanon zu bringen sind.

Ein Kanon, der wohl auch unterschiedlich zu dem in Asien bzw. etwa China oder den USA sein wird. Und damit auch die europäische Ambition relativiert, die KI Regulierung zu einem globalen Exportschlager werden zu lassen.

Daher lasst uns besser auf das Spiel konzentrieren, nicht auf die Schiedsrichter.


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