Die Bibliothek im Kopf

Billy Oppenheimer ist ein Autoren- und Forschungsassistent von Ryan Holiday. Jeden Sonntag sendet er einen Newsletter mit sechs Dingen, die er während der Woche gefunden und interessant gefunden hat. 

In der letzten Geschichte ging es um den 24-Stunden-Schuhdesign-Wettbewerb von Nike im Jahr 1985. Es ist aus heutiger Perspektive schwer zu glauben – aber das war die Zeit, als Nike tatsächlich mit einem 50%igen Rückgang seines Aktienkurses zu kämpfen hatte und Adidas, Converse und Rebook alle das Beaverton Unternehmen links und rechts überholten. Nike geriet in Panik und veranstaltete einen Schuhdesign-Wettbewerb, der von einem Gebäude-Architekten namens Tinker Hatfield gewonnen wurde. Der Rest ist Geschichte. Man kann mit Fug und Recht sagen, dass Tinker heute der berühmteste Sneaker-Designer aller Zeiten ist. Seine Geschichte wurde erst unlängst in der ersten Staffel von Abstract: The Art of Design auf Netflix erzählt.

Was mir an der Geschichte am besten gefallen hat, ist, wie Tinker auf die Idee des sichtbaren Airbags kam, der mit dem Nike Air Max 1 so ikonisch wurde. Er wurde vom Centre Pompidou in Paris inspiriert – irgendwie auch gut nachvollziehbar, weil er halt Architekt ist und das Pompidou wie auch das Air Max eine ziemlich ikonische, bahnbrechende Kreation ist. Es ist auch erstaunlich, wie viele Kreative, die eine Ausbildung zum Architekten absolviert haben, ihre Fähigkeiten auf andere kreative Bereiche jenseits der Architektur übertragen konnten. Tom Ford, Gwen Stefani, Pharrell, Ice Cube, Chris Lowe, Miuccia Prada. Die Liste ist lang …

Es ist eine gute Erinnerung an die Übertragbarkeit von Fähigkeiten und beweist, wie Billy betont, die Entdeckung des Psychologen Charles Spearman aus dem Jahr 1904, dass die Spezialisierung auf eine Sache entgegen früheren Überzeugungen nicht dazu führt, dass man in anderen Dingen schlechter wird. In diesem Sinne ist es ein bisschen wie bei der generativen KI mit den sogenannten „emergent phenomena“. Mehr dazu vielleicht noch in späteren Posts…

Aber zurück zu Tinker Hatfield, der sagte, Kreativität sei eine Funktion der „Bibliothek im Kopf“:

„Wenn man sich hinsetzt, um etwas zu erschaffen, ist das, was man erschafft, der Höhepunkt von allem, was man bis dahin gesehen und getan hat.“

Tinker Hatfield

Ich finde, das ist ein sehr schöner Gedanke, der auch implizit den Wert von Erfahrungswissen ausdrückt. Wie auch warum eine gute und breite Allgemeinbildung für kreative Höchstleistungen so wichtig ist.


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