Ist Microsoft von den Juden?

Um zu erklären, wie es zu dieser Überschrift kommt, muss ich ein wenig ausholen. Ich war diese Woche wieder einmal Lehrer für einen Tag. Jedes Jahr schwärmen am sogenannten “Safer Internet Aktionstag” zwischen 50 und 60 Microsoft Mitarbeiter an Wiener Schulen aus, um einen Dialog mit Schülerinnen und Schülern zu führen und Wissen zu vermitteln, wie man sich im Internet sicher bewegt, etc… So auch ich.

Ich betrete die Klasse. Es sind erst ein paar Kinder im Raum, da noch Pause ist und beginne, meinen Notebook an den Beamer anzuschließen. Ein Schüler tritt interessiert an den Tisch und fragt mich, woher ich komme. Ich erkläre ihm kurz das Warum meiner Anwesenheit und er denkt kurz nach, murmelt “Ah, von der Firma Microsoft sind sie…” um dann wie aus der Pistole geschossen zu fragen:

“Ist Microsoft nicht von den Juden?”

Ich sehe ihn mir genauer an. Er kommt mir auf den ersten Blick nicht besonders radikalisiert vor, sieht aus wie ein ganz normaler 12-jähriger Bub. Kein irrer Blick und vermutlich auch unbewaffnet… Aber warum fragt er mich das? Ist das bereits der zarte Beginn einer Karriere als Religionskrieger? Oder kommt das etwa aus der Ecke der Ewiggestrigen? Wäre ja auch möglich.

Ich frage ihn, wie er das meine und von wo er das denn wisse? Ein Freund hätte ihm das gesagt, der wüsste das von seinem Vater – und der weiß das eben, antwortet er völlig standfest. Ich frage zurück, was es denn machte, wenn es so wäre? Nichts, meint der Bub, der da wohl schon das Glatteis wittert. Es hätte ihn halt einfach interessiert – und zuckt dabei  gleichgültig mit den Achseln.

Die anderen Schüler kommen mit der Lehrerin aus der Pause zurück und der Unterricht beginnt. Es bleibt mir keine Zeit mehr und erst nach den zwei Stunden im Klassenzimmer, am Nachhauseweg im Auto, erinnere ich mich wieder an diese merkwürdige Konversation.

Auch wenn ich nie erfahren werde, aus welcher Motivation der kleine Bub diese Frage stellte, so gab sie mir doch zu denken. Wie leicht sind Kinder in diesem Alter zu beeinflussen und für oder gegen eine Sache zu instrumentalisieren? In dem Alter werden auch schon die Kämpfer für die Intifada, Pegida oder andere “gerechte” Kriege rekrutiert und ihre formbaren Gehirne mit Parolen und Dogmen vollgestopft. Und das meistens von Personen aus der Familie und dem Vertrautenkreis. Was bleibt da noch als Kindheit über? Wie sollen sich da die Kinder vorurteilsfrei eine eigene Meinung bilden können?

Nun, ich für meinen Teil denke, dass sowohl Religion als auch Politik per se nichts im Klassenzimmer verloren hat – dafür aber umso mehr ethische und politische Erziehung.


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